Bean-to-Bar

Meet the Maker: Ulrika von Svenska Kakaobolaget im Interview

Meet the Maker: Ulrika von Svenska Kakaobolaget im Interview
Für Ulrika und Fredrik ging alles mit dem Geschmack los: fasziniert von den Aromen guter Schokolade machten sie sich auf, um mehr über die köstlichen Tafeln herauszufinden. Ihre Reise führte sie aufs schwedische Land, in die Tiefen der Schokoladenindustrie und in Nachtbussen durch die peruanischen Berge. Heute stellen sie mit ihrer Firma Svenska Kakaobolaget im schwedischen Österlen feinste Bean-to-Bar-Schokolade her. 
Im Theyo-Interview erzählt Ulrika, welche Reihe von Zufällen sie zur Schokoladenherstellerin machte, warum Fehler so wichtig sind und woran man als Konsument nachhaltige Schokolade erkennen kann.
 

In Deutschland ist die erste Assoziation mit Schweden meistens IKEA oder WASA. Ihr macht aber Schokolade. Wie kamt ihr dazu?

Ulrika: Fredrik und ich haben in Stockholm gewohnt. Wir hatten ein ganz normales, hektisches Leben. Das hat sich irgendwie falsch angefühlt und wir haben gemerkt, dass sich etwas ändern muss. Bei einem Urlaub in Südschweden sind wir auf eine Süßigkeitenfabrik gestoßen, die zum Verkauf stand. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nichts über Schokolade! Es war wirklich eine total verrückte Idee und fühlte sich ein bisschen an wie ein Sommertraum. 
Zur gleichen Zeit haben wir zum ersten Mal eine Bean-to-Bar-Schokolade probiert … und waren hin und weg! Wie kann eine Schokolade bloß so voller Geschmack und unterschiedlicher Aromen sein? Wir haben begonnen, uns die Schokoladenindustrie genauer anzusehen. Dabei fanden wir heraus, dass die sogenannten „Schokoladenfabriken“ in Schweden eigentlich gar keine Schokolade herstellen, sondern fertige Kakaomasse einkaufen und lediglich weiterverarbeiten. Wir haben uns irgendwie betrogen gefühlt und dachten „das muss doch anders gehen“. 
Das alles ist innerhalb von zwei Monaten, nachdem wir über die Fabrik gestolpert waren, passiert. Wir sagten uns: „was soll’s, let’s do it!” Wir haben also die Süßigkeitenfabrik gekauft, unsere Jobs gekündigt und sind umgezogen, 600 km weg von Stockholm, mitten aufs Land. Heute leiten wir die Fabrik – Svenska Kakaobolaget – die in einem alten Backsteingebäude aus dem 19. Jahrhundert ist. Damals war die Schule eines 200-Seelen-Dorfs darin angesiedelt.
Dieses Leben war eine Riesenveränderung für uns. Aber eine Veränderung, die wir nie bereut haben. 


Die schwedischen Bean-to-Bar Hersteller Ulrika und Frederik ©Svenska Kakaobolaget

Ihr habt eine große Bandbreite an unterschiedlichen Sorten. Wie kreiert ihr neue Geschmacksrichtungen?

In den puren Schokoladentafeln kreieren wir geschmackliche Vielfalt durch verschiedene Bohnen. Wir probieren alle Bohnen, die wir bekommen können. Der Geschmack soll natürlich gut sein, aber auch das gewisse Etwas haben und irgendwie überraschen. Wir schauen uns an, wer den Kakao anbaut, wo und wie er wächst, wie die Bedingungen sind, was die Kakaofarmer verdienen und so weiter.
Außerdem versuchen wir, so viel wie möglich über Bohnen, Kakaofarmer und Produzenten zu erfahren. Und wir reisen zu den Farmen und kennen die Produzentinnen und Produzenten persönlich. 
Bei unseren Tafeln mit Geschmacksrichtungen sind wir unseren schwedischen Wurzeln treu. Es gibt zum Beispiel diese typische Süßigkeit, die alle schwedischen Kinder lieben: Lakritz. Es war für uns selbstverständlich, dass wir auch eine Schokolade mit Lakritz machen. Unser nächster Geschmack wird wahrscheinlich eine schwedische Beere sein, aber wir haben uns noch nicht ganz entschieden.
Die genialsten Ideen entstehen immer aus Fehlern. Fehler sind sozusagen die Wurzel des Lernens. Und wir lernen jeden Tag dazu.

Wie geht ihr bei Svenska Kakaobolaget mit Fehlern um, die ihr macht? Hast du einen Rat für angehende SchokoladenherstellerInnen?

Wir lieben Fehler! Wir machen andauernd Fehler. So lernen wir dazu, entwickeln uns weiter und kommen auf neue Ideen. Die genialsten Ideen entstehen immer aus Fehlern. Fehler sind sozusagen die Wurzel des Lernens. Und wir lernen jeden Tag dazu.
 

Bisher habt ihr Bean-to-Bar-Schokolade, aber auch „Mainstream“- Pralinen hergestellt. Jetzt stellt ihr komplett auf Bean-to-Bar-Produktion um. Warum ist das so wichtig für euch?

Eigentlich stellen wir sogar auf Bean-to-Praline um. Wir hatten diese Vision von Anfang an. Bis jetzt sind wir zweigleisig gefahren: eine Marke nur für Süßigkeiten und eine Marke nur für Bean-to-Bar. Wir wollten die Kundschaft nicht verwirren und haben daher auch im Marketing klar getrennt, was Bean-to-Bar ist und was nicht.
Jetzt freuen wir uns total auf diese neue Phase in unserem Business. In den nordischen Ländern sind wir tatsächlich die Ersten, die ausschließlich Bean-to-Bar produzieren. Und das ist ja noch nicht alles: unsere Süßigkeiten werden aus möglichst wenigen und dafür hochwertigen Zutaten gefertigt. Für uns ist diese Transparenz sehr wichtig.
 

Wie entscheidet ihr, mit welchen Farmen ihr zusammenarbeitet? Wie stellt ihr sicher, dass die Qualität der Ware und die Arbeitsbedingungen vor Ort euren Anforderungen entsprechen?

Es beginnt immer mit dem Geschmack. Wenn wir eine Bohne probieren, die ein aufregendes Aroma hat, machen wir uns dann im nächsten Schritt auf die Suche nach mehr Informationen. Bevor wir mit einem neuen Produzenten zusammenarbeiten, wollen wir alles wissen: was passiert vor Ort? Welche Werte hat der Produzent? Und welche Einstellungen hat er zu Qualität, Transparenz und Nachhaltigkeit? Welche Beziehung hat er zu den Kakaofarmern? Unser Ziel ist es, alle Produzentinnen und Produzenten, mit denen wir zusammenarbeiten, persönlich zu besuchen. So können wir langfristige Beziehungen aufbauen, uns gemeinsam mit ihnen weiterentwickeln und voneinander lernen. Wir sind der Überzeugung, dass man nur so auf Dauer etwas verändern kann.
Die teuren Zertifizierungen blenden häufig Qualität und Geschmack aus und wälzen die Kosten auf den Farmer statt auf den Konsumenten ab

Ihr legt großen Wert auf nachhaltiges und sozialverträgliches Handeln. Wieso findet man auf euren Produkten kaum entsprechende offizielle Zertifizierungen und Siegel?

Wir haben die Entscheidung getroffen, unsere Schokolade nicht durch Dritte zertifizieren zu lassen. Diese Entscheidung war das Ergebnis unserer Erfahrung mit Kakaoproduzenten auf der ganzen Welt. Die teuren Zertifizierungen blenden häufig Qualität und Geschmack aus und wälzen die Kosten auf den Farmer statt auf den Konsumenten ab. Wir hingegen glauben fest an Transparenz und Verantwortung als Schlüsselfaktoren für eine nachhaltige und faire Welt.
 

Welchen Rat habt ihr für Kundinnen und Kunden, die gute, nachhaltige Produkte suchen?

Als Verbraucher ist es schwierig, ethische Entscheidungen zu treffen. Zertifizierungen klingen erst einmal wie eine einfache Orientierungshilfe, sind aber oft mehr Schein als Sein. Wir können nur für die Schokoladenindustrie sprechen, aber: erstens, schaut euch die Zutatenliste an. Wenige Zutaten sind in der Regel ein gutes Zeichen. Zweitens, schaut euch den Produzenten an und wie viel Transparenz im Prozess und in der Beschaffung des Kakaos herrscht.
Wenn es Schlüsselwörter gibt, auf die man achten kann, dann wäre es Schokolade, die als „Bean-to-Bar“ oder „Craft Chocolate" bezeichnet wird. Auch wenn diese Trendbegriffe natürlich keine Garantie für hochwertige Schokolade sind.
 

Welche Kakaobolaget Schokolade empfiehlst du für welche Jahreszeit?

Cardamom 71% für die Weihnachtszeit 
Honduras 70% im Winter
Peru 72% für den Frühling
Und Dark Milk auf der Skipiste!
 

Schokolade kann ja eigentlich in jeder Situation gegessen werden. Was ist deine Lieblings-„Schokoladen-Situation“?

Ich liebe es, mit einer 100%-igen Schokolade in den Tag zu starten, anstelle von Kaffee! Sie gibt mir einen Energieschub. Aber wir als Schokoladenhersteller kennen natürlich überhaupt keine Grenzen, wenn es um Schokolade essen geht. Für uns kann Schokolade unser Frühstück sein. Wenn du zum Beispiel auf Geschäftsreise im Dschungel bist und kein anderes Frühstück dabei hast oder wenn du in einem Nachtbus die peruanischen Anden überquerst. Wir snacken Schokolade aber quasi zu jeder Tageszeit. Das ist eine Art arbeitsbedingte Sucht würde ich sagen.
Kreativ wie die Schokoladen selbst: das Design von Svenska Kakaobolaget Kreativ wie die Schokoladen selbst: das Design von Svenska Kakaobolaget
 

Hast du ein Lieblingsrezept mit Schokolade? 

Wir persönlich lieben es, Schokolade in herzhaften Gerichten zu verwenden, zum Beispiel in Mole. Das ist eine traditionelle Sauce aus Mexiko.
Wenn man ganz klassisch ein Dessert mit Schokolade machen möchte, ist mein Favorit ein sehr einfaches Mousse auf Wasserbasis. Dazu wird geschmolzene Schokolade mit Wasser über Eis geschlagen. Da schmeckt man den Ursprung der Schokolade auf angenehme Weise!
 

Stadt, Land, Genuss. Wir haben das berühmte Spiel “Stadt, Land, Fluss” etwas abgewandelt …

Stadt: Wenn eure Schokolade eine Stadt wäre, welche Stadt wäre sie?

Unsere Schokolade hat einen starken Fokus auf Geschmack. Kräftige, klare Aromen. Etwas provokant, etwas kantig und nicht so konform. Wir sind besessen vom Schokolade-Machen und wollen so viele Aromen wie möglich hervorbringen und hochwertige Tafeln produzieren. Wir sind aber auch ebenso besessen vom Design und dem Look unserer Schokolade. Zusammenfassend würde ich sagen, dass Tokio unsere Stadt sein könnte. Dort trifft verrückt und edgy auf Handwerk, Qualität und Design. 
 

Land: Welches Land ist euer Lieblingsanbaugebiet? 

Jedes Land, das wir besucht haben, war auf seine Weise wunderbar. Tansania mag ich besonders gern. Die Fermentationsanlage, die dort arbeitenden Menschen, die Farmer, die wunderschöne Natur und die wilden Tiere. Das Land ist so großartig wie der Kakao, der dort in Mbingu produziert wird. 
 

Genuss: Bitte mach einen Vorschlag, womit man eure Schokolade gut kombinieren könnte.

Es macht mir großen Spaß, unsere Schokolade mit verschiedenen Kaffeespezialitäten aus der ganzen Welt zu kombinieren. Zum Beispiel passt unsere peruanische Schokolade super zu einer Tasse „Äthiopien, Sasaba“ der Bonanza Kaffeerösterei aus Berlin. 
 

Welche drei Schokoladen würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen? 

Aus unserem eigenen Sortiment würde ich unsere Kokoa Kamili aus Tansania mitnehmen. Außerdem eine Tien Giang aus Vietnam mit 70% Kakaoanteil, hergestellt von Soma Chocolatemaker. Und meine neueste Entdeckung: eine Schokolade mit kandiertem schwarzen Knoblauch von Parliament Chocolate. Die ist einfach unglaublich! 

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