Handelsgerechtigkeit

Wofür steht das B Corp-Siegel?

Wofür steht das B Corp-Siegel?
In den zwei vorherigen Artikeln haben wir uns bereits einen allgemeinen Überblick über die Bedeutung der häufigsten Nachhaltigkeits-Siegel für Lebensmittel verschafft und uns die Kritik am Fairtrade-Siegel etwas genauer angeschaut. Siegel gibt es aber nicht nur für Lebensmittel und einzelne Produkte, sondern auch für ganze Unternehmen. Ein bekanntes international agierendes Zertifizierungssystem für Unternehmen ist B Corporation. In den vergangenen Jahren hat sich das B Corp-Siegel einen beeindruckend guten Ruf aufgebaut und gilt mehr oder weniger als Vorzeigesiegel im Zertifikats-Dschungel. Doch wofür genau steht das Siegel und was ist seine Bedeutung? Und wird es in der Realität seinem guten Ruf gerecht? Diese Fragen wollen wir in diesem Artikel klären.

The big B: Wofür steht B Corporation?


Bereits im Jahr 2006 startete die B Corporation– kurz B Corp – Bewegung in den USA unter dem Leitspruch Using business as a force for good. Umgesetzt wurde dies in dem internationalen B Corp Zertifikat. Dieses wird von der Non-Profit-Organisation B Lab an nachhaltig agierende Unternehmen vergeben. Der Gedanke dahinter ist, dass es nicht entweder kapitalistisches Gewinnstreben oder Gemeinwohl sein muss, sondern dass man auch beides vereinen kann. Das B in B Corp steht für Benefit, also positives Wirken.  B Corporation selbst schreibt auf seiner Seite: „B Corporations sind Unternehmen, die mehr Nachhaltigkeit erreichen wollen, und sich dazu verpflichten, ihren sozialen und ökologischen Impact regelmäßig zu messen und kontinuierlich zu verbessern."
Mit dem B Corp-Zertifikat will B Lab ein weltweites Netzwerk aus Unternehmen aufbauen, die strenge Sozial- und Umweltstandards erfüllen, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und sich durch transparente Prozesse auszeichnen. Bisher, so scheint es, setzen sie ihre Mission auch erfolgreich um: Stand September 2022 hatten über 5.600 Unternehmen aus 85 Ländern das prestigeträchtige Siegel erhalten.
Aber Vorsicht, Verwechslungsgefahr: In den USA gibt es auch sogenannte Benefit Corporations, die eine eigene Unternehmensform ausmachen. Solche Unternehmen verpflichten sich zu einem guten Umgang mit Umwelt, Mitarbeiter:innen und Gesellschaft. Mit dem Siegel, das wir in diesem Artikel betrachten, hat das aber nichts zu tun!

To B or not to B: Wie kann sich ein Unternehmen als B Corp zertifizieren lassen?


Zurück zu B Corp und dem Zertifizierungsprozess für Unternehmen:
Ein grundsätzlich wichtiges Kriterium, das von B Corp vorausgesetzt wird, ist das Verfolgen des Stakeholder-Ansatzes. Das heißt, die Ansprüche aller Interessengruppen sollen beim Entscheidungsprozess mitberücksichtigt werden, also nicht nur der Anteilseigner (entsprechend dem Shareholder-Ansatz), sondern auch Angestellte, Kund:innen, Zulieferer, Menschen vor Ort uvm.
Der Zertifizierungsprozess gliedert sich grundsätzlich in zwei Phasen:
Strebt ein Unternehmen eine B Corporation an, muss sie zuerst einen Fragebogen ausfüllen. Dieser enthält Fragen zu Unternehmensführung, Mitarbeiter:innen, Community, Umwelt und Kund:innen. Die Fragen unterscheiden sich je nach Größe und Typ des Unternehmens, erreicht werden können aber immer maximal 200 Punkte. Unternehmen, die mindestens 80 Punkte erreichen, kommen in die zweite Runde.
In dieser werden die Angaben aus dem Fragebogen durch B Lab persönlich überprüft. Eventuell müssen diese durch das Einreichen zusätzlicher Dokumente bewiesen werden. Entspricht das Unternehmen den B Corp Anforderungen, enthält es das Zertifikat. Um den Ansprüchen der größtmöglichen Transparenz auch selbst zu entsprechen, veröffentlicht B Corp die Ergebnisse des Zertifizierungsprozesses auf seiner Seite.
Aber: Wie die meisten Zertifikate kostet auch B Corp. Der Fragebogen kann noch kostenlos ausgefüllt werden. Danach muss jedoch eine Einreiche-Gebühr von 250 Euro gezahlt werden. Bekommt das Unternehmen die Auszeichnung einer B Corporation, muss es dann einen jährlichen Betrag zwischen 500 und 50.000 Euro, je nach Größe, Standort und Jahresumsatz, für das Zertifikat zahlen.
Und: Das Zertifikat gilt nicht für immer. Die Unternehmen müssen nach 3 Jahren den Zertifizierungsprozess erneuern, wenn sie das Siegel behalten wollen.


b-corp zeritifierung – wie funktioniert's?

Gibt es auch Kritik an B Corp?


Soweit so gut könnte man meinen, oder? Aber, wie so oft bei so ziemlich allen Zertifikaten, ist auch das Vorzeige-Label für nachhaltige Unternehmenskultur nicht immun gegen Kritik.

Was genau meint B Corp mit Nachhaltigkeit?


Der erste Punkt ist auch der offensichtlichste: Wofür steht B Corp genau? Für Nachhaltigkeit, ja, aber das ist nicht sonderlich aussagekräftig, oder? B Corp verfolgt grundsätzlich einen sehr holistischen Ansatz. Das kann als Stärke, aber auch Schwäche ausgelegt werden. Zumindest von außen erscheint diese Zielsetzung aber schnell etwas verwaschen und wage. Beispielsweise bezüglich der ökologischen Dimension von Nachhaltigkeit, der Auswirkung des Handelns des Untenehmens auf die Umwelt, hält sich die das Zertifizierungssystem eher bedeckt.

Missbrauch des Siegels für Greenwashing


Die Zielsetzung des Siegels ist also nicht genau definiert und so ganz konkret ist seine Bedeutung schwierig zu fassen. Was dem ganzen noch den Hut aufsetzt ist, dass einige der B Corp Unternehmen wohl eher das Gegenteil von dem sind, was der Volksmund unter nachhaltig versteht. Beispielsweise erhielt Innocent Drink 2018 das B Corporation Siegel. Der Getränkehersteller gehört aber zu einem der definitiv größten Umwelt-Sünder, zu Coca Cola und verkauft einen Großteil seiner Drinks in Einwegflaschen verkauft. Genauso wie Evian, das mit seinem fehlenden Pfandsystem ebenfalls einen großen Beitrag zur Plastikverschmutzung weltweit leistet. Und: Seit Juni 2022 hat Nespresso eine B Corp. Nespresso, der Kapsel-Kaffee von Nestlé. Wir fragen uns: Was hat das mit ökologischer Nachhaltigkeit zu tun? Der Vorwurf des Greenwashings ist also nicht allzu weit hergeholt.

Benachteiligung kleiner Unternehmen und fehlende Anreize zur Verbesserung


Der Punkt des Greenwashings wird etwas entkräftet, wenn man sich die Zahlen der eingegangenen Bewerbungen und dann tatsächlich vergebenen B Corps anschaut. Denn nur 1 von 3 Bewerbungen führt zum Zertifikatserhalt.
Aber: Es wurden immer wieder Vorwürfe geäußert, dass der Zertifizierungsprozess vor allem für kleine Unternehmen schwieriger ist als für große. Es heißt, der Bewerbungsprozess für eine B Corp sei ein bürokratischer Spießrutenlauf und für kleinere Unternehmen mit geringeren Personalkapazitäten eine immense Herausforderung. Zusätzlich sei, vor allem bei kleineren Unternehmen, der Support durch B Lab eher mäßig gut.
Eine weitere Kritik, die in eine ähnliche Richtung schießt, ist, dass der Erhalt eines B Corporation Siegels den Anreiz für Unternehmen mindere, sich weiter zu verbessern. Klar, alle paar Jahre muss das Zertifikat erneuert werden. Erneuert heißt aber nicht zwangsläufig, dass sich das Unternehmen verbessert, sondern die Standards zumindest hält. Für kleinere Unternehmen hingegen können die rechtlichen Verpflichtungen B Corporation gegenüber sogar einschränkend wirken und das grundsätzliche Wachstum ausbremsen.

Strukturelle Schwächen des B Corp Systems


Eine weitere Schwäche der B Corporation ist zudem, genau wie bei Fairtrade und vielen anderen global agierenden Siegeln, die Garantie unabhängiger Kontrolle. Wie wird die Einhaltung der Kriterien unabhängig geprüft und die Auswirkungen der Maßnahmen evaluiert?
Ein Mangel des Systems ist auch, dass B Corp für eventuelle Mängel nicht haftbar gemacht werden kann. Trotz der teilweise enormen Summen, die Unternehmen jährlich an das Label abtreten, haftet B Corporation nicht für Unternehmen, die die geforderten Standards nicht erfüllen. Auch Satzungsänderungen der Unternehmen können vorgenommen werden, ohne dass diese transparent kommuniziert werden.

 

Unser Fazit: B Corp macht vieles richtig, aber eben nicht alles

Rufen wir uns für unser abschließendes Fazit noch einmal den Sinn für Siegel in Erinnerung: Siegel sollen die Kaufentscheidung erleichtern. Nachhaltigkeit als Thema nimmt in der Bedeutung in der Entscheidung für oder gegen das Produkt laut Umfragen, vor allem bei jungen Menschen, immer weiter zu. Ein gewisser Standard, den B Corp garantiert, ist für viele also definitiv sinnvoll. Und: Je mehr Unternehmer sich zertifizieren, desto höher wird der Druck auf andere Unternehmen, nachzuziehen. Sich zu einer B Corp zu machen, könnte also irgendwann zum Standard werden und würde die Arbeits- und Lebensbedingungen zahlreicher Menschen verbessern.
Trotzdem ist auch B Corp, genau wie Fairtrade und viele andere global agierende Siegelsysteme nicht gefeit vor Kritik. Es macht vieles richtig, aber eben nicht alles. Wollt ihr 100 Prozent sicher sein, ist wie immer Eigenrecherche zu den Unternehmen unabdinglich.
Auch einige Schokoladen-Unternehmen sind als B Corp zertifiziert, beispielsweise einer unser Lieblingshersteller aus Uganda, Latitude. Für diesen würden wir aber unsere Hand ins Feuer legen, genau wie für alle anderen Hersteller, deren Schokolade wir in unserem Shop anbieten. Denn in unseren Shop kommt nur Schokolade, die wir nach klar definierten Nachhaltigkeits-Kriterien ausgesucht haben: Faire Bezahlung (weit über Fairtrade-Standards), nachhaltige Anbau-Formen (zumeist weit über Bio-Standards und i.d.R. in Permakultur-Umgebung ohne Abholzung von Regenwäldern) und die Herstellung im Ursprungsland des Kakaos.

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