Sauerteig und Kombucha haben in der Homeoffice-Zeit ein Comeback gefeiert. Und sogar an (Wasser)kefir, Joghurt oder Miso haben sich einige ran getraut. Dass jedoch auch eins unserer liebsten Süßigkeiten – nämlich die Schokolade – fermentiert ist, wissen die wenigsten. Dabei ist die Fermentation von entscheidender Bedeutung im Herstellungsprozess vom Kakao zur Schokolade. Warum das so ist und was während des Fermentationsprozesses passiert? Erfahrt ihr hier!
Die Fermentation macht den Unterschied
Die Fermentation ist für das Geschmacksprofil und den Säuregehalt der Kakaobohnen von essentieller Bedeutung. Unfermentierter Kakao hingegen gilt als völlig ungenießbar. Übrigens für die Erbsen- bzw. In unserem Fall Bohnenzähler unter uns: wenn man es genau nimmt, fermentieren eigentlich nicht die Kakaobohnen sondern die Hefen, Bakterien und Enzyme fermentieren das weiße Fruchtfleisch, welches die Kakaobohnen umgibt. Somit bekommen die Kakaobohnen die volle Dröhnung der Säure- , Hitze- und Enzymeffekte mit, wodurch sie sich dann innerlich und äußerlich – durch die Fermentation des Fruchtfleisches – verändern. Frische Kakaobohnen vor der Fermentation ©Lydgate Farms
Warum fermentiert das Fruchtfleisch?
Solange sich das Fruchtfleisch innerhalb der Kakaofrucht befindet, ist es steril. Sobald die Kakaobohnen samt saftigem Fruchtfleisch jedoch aus der Schote entfernt wurde, finden natürlich vorkommende Hefen und Bakterien schnell ihren Weg in das süße Fruchtfleisch. Diese mikrobiellen “Impfstoffe” stammen aus ihrer direkten Umgebung. Wie bei anderen Fermenten auch, kommen die Bakterien beispielsweise von den Händen der Arbeiter, der Außenseite der Schote, vorbeifliegenden Insekten oder einfach aus der Luft. Bei einer “geplanten” Fermentation, die auf bestimmte Fermentationseffekte aus ist, kann aber auch ein speziell abgestimmter mikrobieller “Cocktail” mit ausgewählten Inhalten hinzugesetzt werden.
Der Ablauf der Fermentation
Je nach regionale Vorlieben und verfügbaren Ressourcen variieren die Fermentationsmethoden. Einzelne Kakaobauern und Kakaokooperativen treffen unterschiedliche Entscheidungen in Bezug auf ihre Ausstattung. So gibt es Unterschiede bei der Wahl der Fermentationskisten, die Dauer und Anzahl der Tage, die sie ihren Kakao fermentieren oder auch die Häufigkeit, mit der sie den Kakao in den Kisten wenden.Es gibt jedoch Prozesse und Abläufe, die bei allen Fermentationsmethoden ähnlich sind. Hierzu zählen beispielsweise die anaerobe und aerobe Phase. Diese werden jeweils durch unterschiedlichste Faktoren beeinflusst, wie der Reifegrad der Bohnen, die klimatischen Bedingungen, die Qualität der Kakaobohnen oder auch die Chargengröße.
Die anaerobe Phase
Wenn in einer Umgebung Sauerstoffmangel herrscht, spricht man von anaerobe Bedingungen. Dadurch, dass das Fruchtfleisch die Kakaobohnen dicht umgibt, bilden sie eine Art Barriere, die verhindert, dass Luft an die Bohnen dringt. Das saftige Fruchtfleisch besteht überwiegend aus Wasser, sowie einem hohen Zuckergehalt und verschiedenen Säuren. Die Kombination aus Säure und Zucker schaffen die perfekten Bedingungen für das Wirken der Mikroorganismen. Hierbei spielen insbesonderen Hefen, Milchsäurebakterien und Fruchtfleisch-Enzyme eine wichtige Rolle. Durch die anaerobe Atmung – die durch die Abwesenheit des Sauerstoffs entsteht – verbrauchen die Hefen die einfachen Zucker und produzieren Kohlendioxid, Ethanol und kleinere Mengen Energie. Die Milchsäurebakterien wiederum, wandeln Säure sowie Glukose (und andere Kohlenhydrate im Fruchtfleisch) in Milchsäure um. Öffnet man die Fermentationsbox in dieser Phase, kann man diese “Arbeit” unmittelbar an der Oberfläche beobachten. Auf der Kakao-Fruchtfleisch-Mischung blubbern und wabern kleine Kohlendioxidbläschen.
Die vorkommenden Enzyme helfen auch bei der Zersetzung des Fruchtfleisches und wandeln dieses in Flüssigkeit um. Das s.g. “Schweißwasser” klingt übrigens ekelhafter als es ist und wird inzwischen von Startups wie KOA in köstliche Säfte umgewandelt. Sind die Zellstoffe – also das Fruchtfleisch – einmal abgebaut, kann mehr Luft in den Prozess einströmen. Gleichzeitig wird außerdem die Zitronensäure abgebaut, die ebenfalls mit dem Schweißwasser abläuft, wodurch der Gesamt-pH-Wert des Gärungsprozesses erhöht wird. Die erhöhte Luftzufuhr und der steigende pH-Wert läuten schließlich die aerobe Phase ein.
Eine typische Fermentationsbox mit Bananblatt zum Abdecken des Kakaos ©Lydgate Farms
Die heiße (aerobe) Phase
Im Gegensatz zur anaeroben Phase, zeichnet sich die aerobe Phase dadurch aus, dass in der Umgebung Sauerstoff enthalten ist. Diese Umgebung wird dadurch geschaffen, dass bei der Kakaoverarbeitung der Kakao in den Fermentationsboxen regelmäßg “gewendet” wird. Durch das “Wenden” gelangt Sauerstoff an die Kakaobohnen. Je nach Fermentationsprofil, Fermentationsbox, Isolierung und Menge der zu vermentierenden Bohnen variiert der Einfluss des Sauerstoffs. Gleichzeitig führt das regelmäßige Wenden der Kakaobohnen dazu, dass der Fermentationsprozess bei der gesamten Charge gleichmäßiger wird.
Während der aeroben Phase wird es sehr heiß! Warum wir das Konzept von Rohkakao deshalb etwas fragwürdig finden, erfahrt ihr übrigens hier. Aber zurück zur aeroben Phase: in diesem Schritt dominieren die Essigsäurebakterien, welche Ethanol und Säuren oxidieren, um Essigsäure zu produzieren. Diese Essigsäure wird wiederum durch den zusätzlichen Sauerstoff weiter in Kohlendioxid und Wasser zerlegt.
Der Zersetzungsprozess des Ethanols setzt Wärme frei, wodurch die Gesamttemperatur des Kakaos deutlich steigt. Je nach Fermentationsprofil werden die Kakaobohnen unterschiedlich häufig gewendet, Wärme entweicht, die Temperatur sinkt aber baut sich gleichzeitig durch die Sauerstoffzufuhr schnell wieder auf. Ziel dieses Vorgangs ist, durch die Kombination von Wärme und Diffusion von Säure und Ethanol, Zellwände abzubauen.Die Kakaobohnen können nicht mehr keimen und die “chemisch” veränderte Struktur innerhalb der Bohnen hat – je nach Fermentationsstil – erste Aromen entwickelt.
Kakaobohnen während der Fermentation ©Lydgate Farms
Ohne Fermentation, keine Schokolade
Unfermentierte, rohe Kakaobohnen sind geschmacklich sehr bitter. Während das süße Fruchtfleisch Tiere zum Verzehr verführt, werden die bitteren Kerne (Kakaobohnen) ausgespuckt und werden somit verbreitet. Der adstringierende Geschmack und die rötliche Farbe der frischen Kakaobohnen kommen von den enthaltenen Anthocyanen (Polyphenole). Durch die Fermentation – und später vor allem durch die Röstung der Kakaobohnen – nimmt der Polyphenolgehalt ab, wodurch die Geschmacksentwicklung gefördert wird.Einige wenige Hersteller haben es sich zum Ziel gesetzt, mit ungerösteten Kakaobohnen zu arbeiten. Leider gelingt es vielen nicht so gut. Ein großartiges Beispiel für Schokolade aus ungerösteten Bohnen mit tollem Fermentationsprofil bietet Raaka aus New York. Wie kein anderer Hersteller schafft das Team von Raaka es, den ursprünglichen Geschmack der fermentierten Kakaobohnen in richtig gute und faire Schokolade zu verarbeiten. Ihr würdet eine solche Schokolade auch gern probieren? Mit etwas Glück könnt ihr bei unseren Theyo-Tastings als Teamevent eine der seltenen Raaka-Schokoladen probieren. Eine spannende Genussreise, die garantiert jedem und jeder schmeckt!
Ihr wollt wissen, was vor der Fermentation während der Kakaoernte passiert? Hier erfahrt ihr mehr über Kakaoanbau und Ernte...